Der Zug rollt in Ekaterinburg ein, wir steigen aus und da warten unsere Hosts Stanislav und Olga auch schon auf uns. Zur Begrüßung gibt es ein flüchtiges “Hallo” und anschließend traben wir ihnen erst mal nur hinterher bis zur Wohnung. Auf dem Weg dorthin testen Jessi und Stanislav schon mal ihre Französisch Skills. Olga und mir bleibt da nur freundliches Kopfnicken und gelegentlich ein zustimmendes “oui”. Irgendwie war das im Voraus nicht so ganz klar gewesen, dass es sprachlich ne komische Konstellation geben wird. Die auf uns wirkende schlecht launige Frau spricht Russisch und ein bisschen Englisch, Stanislav spricht Russisch und Französisch, aber kein Englisch. Jessi spricht Englisch und Französisch und ich eben nur Englisch. ABER: Olga und ich verstehen Französisch zumindest.
Angekommen in ihrer kleinen, gemütlichen Wohnung durften wir erst einmal duschen gehen nach unserer langen Zugfahrt und dann wurde auch schon gekocht! Oder besser gesagt: Sie hat gekocht. Er unterhält sich währenddessen mit Jessi auf Französisch und ich sitze nebenan, grinse und nicke. Zum Glück wurde direkt zu Beginn der Fernseher angestellt, so konnte ich wenigstens das russsische Pendant zu „TV Total Turmspringen“ gucken. So saßen wir später gemeinsam um den kleinen Ikea Wohnzimmertischen und aßen Pelminis. Gleich zu Beginn wurden wir den Eindruck nicht los, dass es hier eine komische Atmosphäre gab. Es schien irgendwie, dass Olga eigentlich so gar keine Lust hatte auf unseren Besuch. Er dagegen war irgendwie sehr bemüht um uns. Mit Fragezeichen im Kopf schliefen wir auf dem Sofa ein.
Am nächsten Tag ging es früh raus. Die schlecht gelaunte Frau nahm uns mit zu ihrer Arbeit. Sie ist Head of Marketing im Historischen Museum der Stadt. Da sie schon am Abend vorher erzählte, dass im Moment eine Vogelausstellung läuft, war das für uns natürlich Pflichtprogramm. So durften wir schon eine Stunde vor Eröffnung des Museum durch die Räume gehen und uns das alles mal anschauen. Wir wünschen dem Nymphensittich „Karlchen“ nur das Beste (wir hätten ihn gern mitgenommen) und den lauten Papageien und Kakadus auch! Den Tag verbrachten wir mit Rumlaufen und Kaffee trinken. Irgendwie war mir auch nicht so wohl... Wir wurden zu 18 Uhr in die Wohnung bestellt, wo der Französisch sprechende Russe uns erwartete. Wir waren ganz gespannt, was er sich wohl für das Abendprogramm so ausgedacht hat. Also bloß nicht zu spät sein, dachten wir. Schnell wurde dann aber klar, dass ich an dem Tag zu nichts mehr zu gebrauchen war. War aber auch nicht schlimm, weil nämlich gar nichts geplant war. Puh – Glück gehabt! Wir sollten wohl einfach so um 18 Uhr da sein, Französisch Unterricht sozusagen. Man stelle sich die Situation wie folgt vor: Ich liege da also mit knapp 39 Grad Fieber, in meinen Schlafsack gewickelt und doll schwitzend auf der Couch. Jessi sitzt neben mir und tupft mir gelegentlich den Schweiß von der Stirn. Er sitzt uns gegenüber und starrt in seinen Computer. Nebenbei läuft natürlich wieder der Fernseher. Muss ein schönes Bild gewesen sein. Später dann kam noch die schlecht gelaunte Frau mit einem lustigen „Hände Hoch!“ durch die Tür. (Das sind die einzigen deutschen Wörter, die sie kennen.) Dann wurde kurz gekichert, bevor sie sich der Küchenarbeit widmen musste oder wollte. Für mich sprang dabei ein leckeres Zitronen-Honig-Getränk raus. Ihre Gastfreundschaft war wirklich enorm und auch all das Essen, was sie zubereitete war wirklich lecker. Auf Konversation hatte sie aber keinen Bock! Ich war ja (zum Glück) im Fieberrausch und hatte ne gute Ausrede ihr kein Gespräch aufdrücken zu müssen. Uns war das ja schon irgendwie unangenehm... Beim Couchsurfing geht es ja eigentlich um den gegenseitigen Austausch. Da wir gut erzogen sind, versuchte es Jessi dennoch mit einem Gespräch und auf die Frage, wie denn der Tag so gewesen sei bekam sie die Antwort: „Gut“. Jessi sagte daraufhin „Schön“. Fertig!
Alles in allem hatten wir den Eindruck, dass sie nicht so richtig Lust hatte auf das ganze Couchsurfing Ding und uns als Gäste. Oder sie war einfach nur extremst schüchtern. Schwierig zu durchschauen das ganze. Er jedoch war bemüht zu erzählen, aber wie schon gesagt, war das nur mit Jessi möglich. Wir hatten die Idee, aufgrund meines Zustandes, vielleicht doch ein Hotel zu nehmen für die nächste Nacht, jedoch lehnten sie das ab und wollten, dass wir auf keinen Fall gehen. Dann kramte er im Medikamentenschrank rum und suchte Medizin für mich. Anschließend verschwand er im Schlafzimmer, welches durch eine Glastür getrennt war und man konnte erkennen, dass er heftig betete. Es ging mir sehr bald besser.
Obwohl wir irgendwann dachten, dass sie uns möglicherweise ja gar nicht leiden können, wurden wir überrascht. So bekamen wir vor Abreise einen kleinen Glücksbringer geschenkt und obwohl sie am Abend eine Theatervorstellung besuchten, ließen sie es sich nicht nehmen danach noch zum Bahnhof zu kommen und an unsere Scheibe zu klopfen um sich noch einmal zu verabschieden und Fotos zu machen. Letztendlich werden wir aus ihnen nicht schlau aber vielleicht ist das auch gut so. Wir werden das junge Ehepaar als ausgezeichnete Gastgeber in Erinnerung behalten.
Achso, Ekaterinburg ist übrigens ne ganz nette Stadt. Sehr modern mit vielen Hochhäusern und Kirchen. Ganz anders als wir erwartet hatten. Aber auch das zieht sich ja wie ein Roter Faden durch unser Russland Abenteuer.
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